Landesgericht: Verarbeitung der Parteiaffinität durch Post ist rechtswidrig
Die Österreichische Post AG hat, wie dies aus den Medien hinlänglich bekannt ist, von Österreichern und Österreicherinnen Daten zur Parteiaffinität gesammelt. Laut einem aktuellen Urteil des Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien war diese Datenverarbeitung rechtswidrig. Dieser Beitrag schildert meinen persönlichen Fall:
Über ein Auskunftsbegehren kam ich letztes Jahr zu der Information, dass die Post Daten zu meiner eigenen Parteiaffinität gesammelt hat. Konkret wurde folgende Information erhoben:
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden ich und die Leiterin der Rechtsabteilung der Post befragt. In der Einvernahme der Rechtabteilungsleiterin stellte sich heraus, dass die Erhebung der Parteiaffinität bei allen Personen in Österreich geschehen ist und diese Daten auch tatsächlich an zwei Parteien verkauft wurden. Ausgenommen von dieser Weitergabe waren Personen, die sich in die sogenannte "Robinsonliste" eingetragen haben.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erließ daraufhin ein Urteil und kam zu folgendem Ergebnis:
Meinem Unterlassungsbegehren wurde stattgegeben, da das Gericht davon ausging, dass es sich bei den gegenständlichen Daten um personenbezogene Daten handeln würde. Das Gericht weiter: "Da die personenbezogenen Daten über die Parteiaffinitäten Auskunft geben, fallen sie unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art 9 DSGVO. Zwar kennt die DSGVO keine nähere Definition der politischen Meinung, in Zweifelsfällen ist jedoch ein weites Verständnis angezeigt, um die Grundlage der politischen Meinung nicht zu gefährden. Ein Hervorgehen der politischen Meinung kann schon dann vorliegen, wenn die politische Meinung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann".
Das Löschungsbegehren wurde abgewiesen, da das Gericht davon ausging, dass die Daten tatsächlich gelöscht wurden. Die Gegenseite legte jedoch hierzu keinerlei Gutachten vor, sondern stützte sich nur auf die Aussage der Rechtsabteilungsleiterin.
Das Schadenersatzbegehren wurde ebenso abgewiesen, da das Gericht die Notwendigkeit des Erreichens einer Erheblichkeitsschwelle annahm. Das Gericht führt folgende Begründung an: "Die DSGVO normiert keinerlei Umfang oder Erheblichkeitsschwelle für den Ersatz des immateriellen Schadens, es ist aber ein Mindestmaß an persönlicher Beeinträchtigung für das Vorliegen eines immateriellen Schadens erforderlich. Eine klagende Partei hat die Auswirkungen der Rechtsverletzung auf ihre Persönlichkeit konkret zu behaupten und zu beweisen."
Das Gericht sagt somit zuerst selbst, dass die DSGVO keinerlei Erheblichkeitsschwelle kenne, es wendet eine solche jedoch im Ergebnis trotzdem an, was meines Erachtens rechtlich nicht korrekt ist und der DSGVO widerspricht. Ich habe daher gegen die Abweisung des Löschungsbegehrens sowie die Abweisung des Schadenersatzbegehrens Berufung an das Oberlandesgericht Wien erhoben. Auch die Österreichische Post AG hat gegen den stattgebenden Teil des Urteils (Unterlassungsbegehren) Berufung erhoben, weshalb es nicht rechtskräftig ist.
Zu bemerken ist, dass es mir in diesem Verfahren um eine rechtliche Klarstellung geht und nicht um eine persönliche Bereicherung. Ich finde es grundsätzlich nicht in Ordnung, wie leichtfertig Konzerne aufgrund wirtschaftlicher Interessen mit Kundendaten umgehen. Sollte ich am Ende des Verfahrens einen Schadenersatzbetrag zugesprochen bekommen, so werde ich diesen an eine wohltätige Organisation spenden.
Das Urteil erging am 14.7.2020 zur Geschäftszahl 8 Cg 34/20h. Ich bitte um Verständnis, dass es aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich ist, das Urteil zu versenden.
Das Verfahren ist nun beim OLG Wien anhängig. Sobald eine Entscheidung des Berufungsgerichts vorliegt, werde ich in diesem Rechtsblog darüber berichten. Möglicherweise wird sich auch der EuGH mit dieser Causa befassen - beide Seiten haben eine Anregung zur Vorlage an den EuGH gestellt.
UPDATE 6.7.2021:
Der OGH hat über die noch strittigen Punkte (Unterlassungsbegehren und Schadenersatz) wie folgt entschieden:
Hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens hat der OGH der Klage stattgegeben: Bei den Daten zur Parteiaffinität handle es sich nach Ansicht des OGH um besondere Kategorien von personenbezogenen Daten, es liege keine Rechtsgrundlage für deren Verarbeitung vor und es bestehe Wiederholungsgefahr.
Bezüglich des Schadenersatzes legte der OGH die Rechtssache dem EuGH vor: Unklar sei nach Ansicht des OGH, ob jede Verletzung der DSGVO zu einem immateriellen Schaden führt oder hierfür das Überschreiten einer „Erheblichkeitsschwelle“ erforderlich ist.
Nähere Informationen zum Fall können Sie meinem Beitrag im Rechtspanorama der Presse unter folgendem Link entnehmen:
https://www.diepresse.com/5986891/datensammeln-konnte-die-post-teuer-kommen
Über das Ergebnis des Verfahrens am EuGH werde ich wieder in diesem Beitrag berichten. Es bleibt spannend, wie der EuGH entscheiden wird - pro Großkonzerne oder pro Konsumenten.
RA Dr. Oliver Peschel
Medienfoto © Bruno Klomfar/Österreichische Post AG
Über ein Auskunftsbegehren kam ich letztes Jahr zu der Information, dass die Post Daten zu meiner eigenen Parteiaffinität gesammelt hat. Konkret wurde folgende Information erhoben:
"Mögliche Zielgruppe für Wahlwerbung Grüne/ÖVP/NEOS/FPÖ"
In eigenem Namen klagte ich daraufhin die Post auf - Unterlassung der Verarbeitung meiner Daten zur Parteiaffinität (Streitwert 15.000 €),
- Löschung meiner Daten zur Parteiaffinität (Streitwert 1.000 €) sowie
- Bezahlung eines immateriellen Schadenersatzbetrags in der Höhe von 1.000 €.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurden ich und die Leiterin der Rechtsabteilung der Post befragt. In der Einvernahme der Rechtabteilungsleiterin stellte sich heraus, dass die Erhebung der Parteiaffinität bei allen Personen in Österreich geschehen ist und diese Daten auch tatsächlich an zwei Parteien verkauft wurden. Ausgenommen von dieser Weitergabe waren Personen, die sich in die sogenannte "Robinsonliste" eingetragen haben.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erließ daraufhin ein Urteil und kam zu folgendem Ergebnis:
Meinem Unterlassungsbegehren wurde stattgegeben, da das Gericht davon ausging, dass es sich bei den gegenständlichen Daten um personenbezogene Daten handeln würde. Das Gericht weiter: "Da die personenbezogenen Daten über die Parteiaffinitäten Auskunft geben, fallen sie unter die besonderen Kategorien personenbezogener Daten im Sinne des Art 9 DSGVO. Zwar kennt die DSGVO keine nähere Definition der politischen Meinung, in Zweifelsfällen ist jedoch ein weites Verständnis angezeigt, um die Grundlage der politischen Meinung nicht zu gefährden. Ein Hervorgehen der politischen Meinung kann schon dann vorliegen, wenn die politische Meinung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann".
Das Löschungsbegehren wurde abgewiesen, da das Gericht davon ausging, dass die Daten tatsächlich gelöscht wurden. Die Gegenseite legte jedoch hierzu keinerlei Gutachten vor, sondern stützte sich nur auf die Aussage der Rechtsabteilungsleiterin.
Das Schadenersatzbegehren wurde ebenso abgewiesen, da das Gericht die Notwendigkeit des Erreichens einer Erheblichkeitsschwelle annahm. Das Gericht führt folgende Begründung an: "Die DSGVO normiert keinerlei Umfang oder Erheblichkeitsschwelle für den Ersatz des immateriellen Schadens, es ist aber ein Mindestmaß an persönlicher Beeinträchtigung für das Vorliegen eines immateriellen Schadens erforderlich. Eine klagende Partei hat die Auswirkungen der Rechtsverletzung auf ihre Persönlichkeit konkret zu behaupten und zu beweisen."
Das Gericht sagt somit zuerst selbst, dass die DSGVO keinerlei Erheblichkeitsschwelle kenne, es wendet eine solche jedoch im Ergebnis trotzdem an, was meines Erachtens rechtlich nicht korrekt ist und der DSGVO widerspricht. Ich habe daher gegen die Abweisung des Löschungsbegehrens sowie die Abweisung des Schadenersatzbegehrens Berufung an das Oberlandesgericht Wien erhoben. Auch die Österreichische Post AG hat gegen den stattgebenden Teil des Urteils (Unterlassungsbegehren) Berufung erhoben, weshalb es nicht rechtskräftig ist.
Zu bemerken ist, dass es mir in diesem Verfahren um eine rechtliche Klarstellung geht und nicht um eine persönliche Bereicherung. Ich finde es grundsätzlich nicht in Ordnung, wie leichtfertig Konzerne aufgrund wirtschaftlicher Interessen mit Kundendaten umgehen. Sollte ich am Ende des Verfahrens einen Schadenersatzbetrag zugesprochen bekommen, so werde ich diesen an eine wohltätige Organisation spenden.
Das Urteil erging am 14.7.2020 zur Geschäftszahl 8 Cg 34/20h. Ich bitte um Verständnis, dass es aus Gründen des Datenschutzes nicht möglich ist, das Urteil zu versenden.
Das Verfahren ist nun beim OLG Wien anhängig. Sobald eine Entscheidung des Berufungsgerichts vorliegt, werde ich in diesem Rechtsblog darüber berichten. Möglicherweise wird sich auch der EuGH mit dieser Causa befassen - beide Seiten haben eine Anregung zur Vorlage an den EuGH gestellt.
UPDATE 6.7.2021:
Der OGH hat über die noch strittigen Punkte (Unterlassungsbegehren und Schadenersatz) wie folgt entschieden:
Hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens hat der OGH der Klage stattgegeben: Bei den Daten zur Parteiaffinität handle es sich nach Ansicht des OGH um besondere Kategorien von personenbezogenen Daten, es liege keine Rechtsgrundlage für deren Verarbeitung vor und es bestehe Wiederholungsgefahr.
Bezüglich des Schadenersatzes legte der OGH die Rechtssache dem EuGH vor: Unklar sei nach Ansicht des OGH, ob jede Verletzung der DSGVO zu einem immateriellen Schaden führt oder hierfür das Überschreiten einer „Erheblichkeitsschwelle“ erforderlich ist.
Nähere Informationen zum Fall können Sie meinem Beitrag im Rechtspanorama der Presse unter folgendem Link entnehmen:
https://www.diepresse.com/5986891/datensammeln-konnte-die-post-teuer-kommen
Über das Ergebnis des Verfahrens am EuGH werde ich wieder in diesem Beitrag berichten. Es bleibt spannend, wie der EuGH entscheiden wird - pro Großkonzerne oder pro Konsumenten.
RA Dr. Oliver Peschel
Medienfoto © Bruno Klomfar/Österreichische Post AG