Verbrauchergerichtsstand - Wo kann ein Verbraucher klagen?
Wenn ein Unternehmen Geschäfte mit Verbrauchern aus anderen Staaten abschließt, stellt sich die Frage, wo das Unternehmen und wo die Verbraucher klagen können, sollte es zu Konflikten kommen.
Nach europäischem Recht kann ein Verbraucher ein Unternehmen unter bestimmten Umständen am Ort seines Wohnsitzes klagen, auch wenn das Unternehmen seinen Sitz in einem anderen Staat hat. Das Unternehmen wiederum kann den Verbraucher unter Umständen auch nur an dessen Wohnsitz im Ausland klagen. Dieser Verbrauchergerichtsstand kommt dann zur Anwendung, wenn ein Unternehmen mit einem Verbraucher, also einem privaten Endkunden, einen Vertrag abschließt und das Unternehmen im Wohnsitzstaat des Verbrauchers eine Tätigkeit „ausübt“ oder seine Tätigkeit auf diesen Staat „ausrichtet“.
Ein „Ausüben“ wird gemäß der sogenannten EuGVVO 2012 immer dann angenommen, wenn Dienstleistungen vor Ort erbracht werden. Installiert ein Unternehmen aus Österreich bei einem Verbraucher mit Wohnsitz in Deutschland eine Heizungsanlage, so liegt ein „Ausüben“ einer Tätigkeit in Deutschland vor und der Verbrauchergerichtsstand in Deutschland wäre eröffnet. Doch selbst wenn ein deutscher Verbraucher bei einem österreichischen Unternehmen zum Beispiel ein Auto kauft, kann der Verbrauchergerichtsstand in Deutschland eröffnet sein, wenn das österreichische Unternehmen seine Tätigkeit auf Deutschland „ausrichtet“. Was versteht man unter dem „Ausrichten einer Tätigkeit“?
Der EuGH hat dazu in mehreren Entscheidungen festgehalten (so etwa C-585/08, C-144/09), dass die bloße Abrufbarkeit einer Website im Ausland noch keine „Ausrichtung“ darstellt, sondern eine Reihe an Kriterien zu prüfen sind, an denen man erkennen kann, ob eine „Ausrichtung“ auf einen anderen Staat vorliegt:
Die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Staaten aus zu dem Ort, an dem das Unternehmen niedergelassen ist, die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Staat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung, die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl, Werbung in einem anderen Staat oder etwa die Erwähnung einer internationalen Kundschaft wurden als Kriterien festgelegt. Es ist nicht notwendig, dass das Unternehmen im Fernabsatz tätig ist und es ist auch nicht notwendig, dass der Verbraucher die Website des Unternehmens vor dem Vertragsabschluss tatsächlich besucht hat. Trotzdem kann der Verbrauchergerichtsstand eröffnet sein.
Selbst wenn keine Geschäftstätigkeiten
im Ausland durchgeführt werden, sollten Unternehmen rechtlichen Rat einholen,
ob sie ihre Tätigkeit nicht doch über ihre Website auf einen anderen Staat „ausrichten“, da sonst
teure Auslandsprozesse drohen können. Verbraucher, die bei Unternehmen im Ausland etwa über das Internet einkaufen, sollten im Streitfall oder besser noch vorab prüfen, ob eine Klage an ihrem Wohnsitz möglich wäre. Die Beurteilung, ob eine „Ausrichtung“
vorliegt, muss nämlich in jedem Einzelfall geprüft werden.
Dr. Oliver Peschel
Literaturhinweis in eigener Sache:
Peschel,
Der europäische Verbrauchergerichtsstand, Verlag Dr. Kovač (2018)